Die Klänge der Erlöserkirche.
Das Orgelwerk.

Die Kirche und ihre Orgeln

Mit der Fertigstellung des Neubaus der Erlöserkirche im Jahr 1908 konnte auch die große Orgel in Dienst genommen werden. Sie wurde auf ausdrücklichen Wunsch des kaiserlichen Oberhofmarschalls Freiherr von Mirbach von einem der führenden Orgelbauer seiner Zeit, dem königlich-preußischen Hoforgelbauer Wilhelm Sauer, Frankfurt/Oder, gebaut. Sauer hatte gerade die Orgel im Berliner Dom errichtet. Der Elisabethenverein übernahm die Kosten in Höhe von 29.620 Mark für das neue Instrument. Die vom Elisabethenverein vorgeschlagene Firma Walcker, Ludwigsburg, kam nicht zum Zug.

Sauer schuf eine romantische Orgel. Die Disposition der Orgel entsprach dem musikalischen Geschmack der Zeit. Als Besonderheit sei auf den Einbau von Fernwerk-Registern hingewiesen, deren Pfeifen im Turmgeschoss über dem Hauptwerk der Orgel untergebracht sind und deren Klang – über einen langen Schallkanal oberhalb des Kirchengewölbes geleitet – aus einem Schallloch über dem Altarraum austritt. Bereits 1895 hatte Sauer ein derartiges Fernwerk für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin gebaut.

Dieses Instrument entsprach bereits in den folgenden Jahren zunehmend nicht mehr den musikalischen Bedürfnissen und Klangvorstellungen der Zeit. Daher entschloss man sich 1940, die Orgel im Sinne der von Albert Schweitzer initiierten elsässischen Orgelreform und der nach dem Ersten Weltkrieg einsetzenden „deutschen Orgelbewegung“ umzubauen. Dies entsprach dem Wunsch, die Orgel dem Klangideal der barocken Musik anzunähern. Ziel dieses Umbaus war es, ihr die klangliche Ausrichtung auf die deutsche Romantik (Liszt, Mendelssohn, Brahms, Reger) zu nehmen, die man nicht mehr als zeitgemäß empfand. Aus späterer Sicht war das Ergebnis zwar nicht überzeugend, dennoch galt die im Zweiten Weltkrieg glücklicherweise vor der Zerstörung bewahrt gebliebene Orgel in jenen Jahrzehnten nach dem Krieg als eines der bedeutenden Instrumente im Rhein-Main-Gebiet. Sie wurde von bekannten Organisten der Region – darunter Helmut Walcha – gespielt.

Zusammen mit den Chören der Erlöserkirche unter Leitung von Dr. Hermann Melchert war die Orgel eine Säule der Kirchenmusik der Gemeinde und sehr bedeutsam für das Konzertleben der Stadt. Dennoch war der Umbau eine Kompromisslösung, da weder die Werke der romantischen noch die der barocken Musikepoche in wirklich befriedigender Weise aufgeführt werden konnten.
1983 regte Hayko Siemens, der ein Jahr zuvor als Nachfolger von Dr. Melchert zum Kantor der Erlöserkirchengemeinde berufen worden war, an, über ein neues zusätzliches Instrument nachzudenken, das vor allem die barocke Musikliteratur adäquat darstellen konnte. Gleichzeitig sollte die Sauer-Orgel wieder in den Originalzustand von 1908 zurückversetzt und erweitert werden, um das Orgelrepertoire der Romantik klanglich angemessen wiedergeben zu können. Dieser Vorschlag stieß zunächst auf große Skepsis bei nahezu allen Beteiligten, obwohl sich doch die eher engen Vorstellungen der „Orgelbewegung“ geweitet hatten und romantische und zeitgenössische Musik durchaus wieder ihren Platz in der Kirchenmusik gefunden hatten. An diesem Wandel hatte vor allem die junge Nachkriegsgeneration der Kirchenmusik hohen Anteil. Am schwersten wog allerdings die Frage nach der Finanzierung.

Schließlich fassten die beiden Pfarrer der Gemeinde, Christof Warnke und Karl Reinhold, sowie der Kirchenvorstand Vertrauen in die kleine Gruppe der Befürworter. Am 7. Juni 1983 beschloss der Kirchenvorstand einstimmig, den Neubau einer Barock-Orgel und die Restaurierung der Sauer-Orgel sowie deren Erweiterung um ein viertes Manualwerk zu wagen. Dabei ging der Vorstand davon aus, dass die Finanzierung der neuen Orgel aus einzuwerbenden Spenden erfolgt.

Am 4. Oktober 1984 konnte in der Unterkirche der „Verein zur Förderung des Orgelbaus in der Erlöserkirche“ gegründet und die Satzung errichtet werden. Die notwendige Anzahl von Gründungsmitgliedern zu versammeln, war nicht ganz leicht, weil man sich kaum vorstellen konnte, die erheblichen Geldmittel für das große Vorhaben zusammen zu bringen. Ein Verein dieser Art wurde aber für erforderlich gehalten, um das Projekt in der Öffentlichkeit zu vertreten. Auch wurde damit eine Voraussetzung für die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden geschaffen. Als Vereinsvorstand stellten sich die Herren Engelbert Dicken, 1. Vorsitzender, Ulrich Dibbern und Hayko Siemens zur Verfügung. Sie wurden am 11.02.1985 als vertretungsberechtiger Vorstand des Vereins im Vereinsregister des Amtsgerichts eingetragen. Auf zukünftige Mitgliederwerbung wurde verzichtet.

Der Kirchenvorstand überließ dem Verein die Planung des neuen Instruments, die Restaurierung und Erweiterung der Sauer-Orgel und die Finanzierung der Objekte. Der Verein unterrichtete den Kirchenvorstand regelmäßig und leitete alle eingegangen Spenden unmittelbar an die Erlöserkirche weiter. Nachdem sein Zweck erfüllt war, löste sich der Verein auf und wurde 1996 im Grundbuch gelöscht. Ein Restvermögen war nicht vorhanden.

Um eine orgellose Zeit in der Kirche auf jeden Fall zu vermeiden, ging man zunächst den Bau der neuen Orgel an. Der Verein stellte das Projekt bei einer Veranstaltung am 8.9.1985 im Sinclair-Haus, das die Altana AG freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte, der Öffentlichkeit vor. Dankenswerterweise übernahm der damalige Oberbürgermeister der Stadt, Wolfgang R. Assmann, die Schirmherrschaft über den Verein. Tatsächlich gelang bei dieser ersten Veranstaltung ein Durchbruch, als der Hauptbevollmächtigte der Basler Versicherungen für Deutschland mit Sitz in Bad Homburg, Herr Sterr, eine namhafte Spende in Aussicht stellte und damit den Startschuss gab für weitere Spenden Bad Homburger Bürger und bedeutender Wirtschaftsunternehmen.

Nach einer Reihe von Sondierungsgesprächen mit mehreren Orgelbauern im In- und Ausland schlug der Verein die Zusammenarbeit mit dem Orgelbaumeister Gerald Woehl, Marburg, zum Bau der Neuen Bach-Orgel vor. Hayko Siemens empfahl eine von Johann Sebastian Bach selbst aufgestellte, dokumentarisch überlieferte Registerdisposition einer zweimanualen Orgel zu verwenden, die 1742 in Bad Berka, Thüringen, realisiert worden war.


Disposition der Neuen Bach-Orgel >



Nach einigen anfänglichen Querelen gelang es auch, die EKHN in Darmstadt vom Projekt zu überzeugen. Schwieriger wurde es mit dem Amt für Denkmalpflege in Wiesbaden, das bauliche Maßnahmen im Gesamtkunstwerk Erlöserkirche nicht zulassen wollte. Die zusammen mit Woehl erarbeiteten Pläne und Entwürfe überzeugten dann aber doch, so dass im Frühjahr 1987 ein Modell der neuen Orgel in Originalgröße für einige Zeit an dem schließlich gefundenen Standort in der Kirche aufgestellt wurde. So konnten sich Gemeinde und Öffentlichkeit einen eigenen Eindruck verschaffen, wie die Orgel im Kirchenraum aussehen würde. Widerspruch kam – entgegen manchen Befürchtungen, die zerstreut werden konnten – nicht auf. Mehrere andere Standorte im Kirchenraum, z.B. die Seitenemporen, waren geprüft und verworfen worden. Die Bauarbeiten in der Kirche begannen im Frühsommer 1989. Nun steht die Neue Bach-Orgel auf der Brüstung der Mittelempore, zusammen mit der Sauer-Orgel, in der architektonischen und akustischen Achse der Kirche.



Das Pfeifenwerk wurde von Woehl äußerst kompakt gebaut, der Prospekt in Form- und Farbgebung in idealer Weise dem Innenraum der Kirche angepasst. Das Gehäuse der Orgel ist nach vorn und hinten offen. Der Platzbedarf auf der Empore, in deren Boden die Windanlage eingebaut ist, konnte so gering gehalten werden, dass dort ein vor allem liturgisch erforderlicher Chor nach wie vor genügend Raum findet oder bei Konzerten Stuhlreihen für Besucher aufgestellt werden können. Gerald Woehl hat im Jahr 2000 eine weitere Orgel in der Thomaskirche in Leipzig gebaut, als Partnerin einer dort seit Jahren stehenden Sauer-Orgel. Die Erlöserkirche in Bad Homburg war die Referenz.

In einer Festwoche vom 2. bis 11. März 1990 und einem feierlichen Festgottesdienst am Sonntag, 4. März 1990 wurde die Neue Bach-Orgel eingeweiht.

Festgottesdienst mit Orgelweihe
Predigt: Kirchenpräsident Helmut Spengler

Aufgeführt wird die Bach-Kantate Nr. 29
„Wir danken dir, Gott, und verkündigen deine Wunder“
Mitwirkende: Chor der Erlöserkirche
Franziska Hirzel, Sopran, Bärbel Müller, Alt,
Magnus Kyhle, Tenor
Offenbacher Kammerorchester
Konzertmeister: Hubert Buchberger
Trompeten-Ensemble David Tasa
Leitung und Orgel: Hayko Siemens
Nach dem Gottesdienst Empfang in der Unterkirche und anschließend Möglichkeit zur Besichtigung der Orgel.

In einem Abendkonzert am 4. März spielte Professor Marie-Claire Alain, Paris, das Konzert a-moll, mehrere Choralbearbeitungen, Pièce d’Orgue G-dur und die Trisonate Nr. 3, d-moll von Johann Sebastian Bach. Am 7. März veranstaltete Hayko Siemens (Orgel) ein Kantatenkonzert mit konzertierender Orgel, den Abschluss bildete ein Orgelkonzert am 11. März mit Ton Koopman, jeweils mit Werken von Johann Sebastian Bach.

Der Bau der Neuen Bach-Orgel in der Erlöserkirche zu Bad Homburg ist ausschließlich durch Zuwendungen von privater Seite - Einzelpersonen und ortsansässigen Unternehmen unserer Stadt - finanziert worden. Der Kirchenvorstand der Gemeinde und der Verein zur Förderung des Orgelbaus e.V. danken allen Spendern für ihre großzügige und tatkräftige Hilfe:
ALTANA Industrie-Aktien und Anlagen AG, BASLER Versicherungen, Kurt Beer, Dr. Ing. Erich Böckler, August Wilhelm Braum, Hans-Herbert Graf von Bredow, Maria Bringezu, Alois Bromkamp, COMMERZBANK AG Fil. Frankfurt, CREDITREFORM Bad Homburg Erika Vogt KG, DAIMLER-BENZ AG Bad Homburg – DEUTSCHE BANK AG, DEUTSCHE LEASING AG -Herta Dielmann, Dr. Joachim und Dr. Irmgard Dienemann, Marie Dittmar, Heinz Enold, Dr Ing. Hasso Frhr. Von Falkenhausen – Fresenius AG, Dr. Ulrich Frhr. Von Freyberg, Helmut Gehlich, Lieselotte de Greiff, Edith Herkert, HEWLETT-PACKARD GmbH, HOESSRICH Verwaltungsgesellschaft mbH – Helmut Hauben, Hermann-Adolf Ihle, Johann A. Ihlefeldt, Dr. Jörg Jaeckel, Paula Jäger, Dr. Siegfried Jensen, Heide Kannenberg, Dr. H. Joachim Krahnen, KREISSPARKASSE des Hochtaunuskreises, Dr. Michael Krüger, Manfred Kühn, Waltraud Kuhn, Christa Kunkel, Werner Lauch, LILLY Deutschland GmbH, Wilhelm Lottich, Frank Marheinecke, Ruprecht Maurer, Günter Mertgen, Helga Milbert, Hermann Mische, Ingeborg Müller, Traute Newiger, Ursula Philipp, Oswald Pittner, HARALD QUANDT Finanzholding GbR, Johanna Quandt, A M Reiners, REWE Handels-Gesellschaft LEIBBRAND oHG, Else Rosenstock, Günter Sadtler, Klaus Sattler, Dr. Hanns C. Schroeder-Hohenwarth, Dr. Raban Frhr. von Spiegel, Anni Störmer, Erwin Stolte, TAUNUS-THERME Werner Wicker KG, Verlag Dr. MAX GEHLEN GmbH & Co. KG, VICKERS Systems GmbH, Dr. Rüdiger Volhard, Ellen von Wangenheim, Otto-Felix Weigel, Herwarth Westphal, Dr. Karl Wiskow, Gertrud Wollenhaupt, Dorothea Zager, Liselotte Zielke, Horst Zierenberg

War die Finanzierung der Neuen Bach-Orgel aus Spenden von Privatleuten und Firmen erfolgt, so konnten für die Restaurierung der Sauer-Orgel Mittel der Landeskirche von Hessen-Nassau, der Gemeinde und – nicht zuletzt – des Landesamtes für Denkmalpflege Wiesbaden mobilisiert werden. Mit den Arbeiten wurde die Firma Förster und Nicolaus, Lich, betraut, die die Orgel aus langjähriger Betreuung kannte. Das Fernwerk wurde mit acht Registern in vollem Umfang restauriert. Wegen der Erweiterung um ein viertes französisches Manual („RECIT“, ein Werk mit 16 Registern) wurde ein zweiter Spieltisch eingerichtet. Von diesem neuen Spieltisch kann das gesamte Werk mit elektrischer Traktur gespielt werden, während der historische Teil vom restaurierten alten Spieltisch mit der originalen pneumatischen Traktur bedient wird. Durch Zufall konnte für das zusätzliche Manual eine originale Sauer-Windlade beschafft und eingebaut werden.


Disposition der restaurierten und erweiterten Sauer-Orgel >



Der Abschluss der Arbeiten wurde am 4. Juli 1993 in einem Festgottesdienst gefeiert.

Predigt: Kirchenpräsident a.D. Helmut Spengler
Liturgie: Pfarrerin Ulrike Fritz-Lauer
Pfarrer Michael Schweitzer

Chor der Erlöserkirche
Frankfurter Bläserensemble

Orgel: Hayko Siemens, Theodor Höhn, Michael Krüger
Leitung Hayko Siemens

Musikalisches Programm:

Flor Peeters: Entrata festiva op. 93
(1903-1986) für Orgel, Chor, 2 trompeten, 2 Posaunen und Pauken

Antonin Dvórak: Messe D-dur op. 86 für Chor und Orgel
(1841-1904) daraus: Kyrie - Gloria (Orgel: Theodor Höhn)

Cescar Franck: Der 150. Psalm
(1822-1890) Für Chor und Orgel (Orgel: Michael Krüger)

Sigfrid Karg-Elert: „Wunderbarer König"
(1877-1933) Festlicher Choral für Orgel, 2 Trompeten, 2 Posaunen und Pauken
aus Choral-Improvisationen op. 65

11.30 Uhr Empfang in der Unterkirche
12.30 Uhr Orgelvorführung durch Orgelbaumeister Martin Müller und Hayko Siemens (Ende gegen 13.00 Uhr)

Während der Festwoche fanden drei Orgelkonzerte mit Hayko Siemens, Nicolas Kųnaston, England, und Daniel Chorzempa, USA, sowie ein Chor- und Orgelkonzert von Hayko Siemens statt.

Die Restaurierung der Sauer-Orgel und ihre Erweiterung um ein Manual sowie die Veranstaltungen sind ausführlich in einer kleinen Festschrift dokumentiert.

Damit verfügt die Erlöserkirche über ein einmaliges Orgel-Ensemble, das nun seit Sommer 1993 ad majorem dei gloriam, zur Ehre Gottes und zur Freude der Gottesdienst- und Konzertbesucher seinen Dienst tut.

Faszinierende Kirche. Seit 1908.

Die Baukunst
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